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27.07.2022 denkmal

Alf Furkert: „Denkmale bringen einen Bonus mit“

In unserer Rubrik „Denkmalschutz in Deutschland“ sprechen wir mit den deutschen Landeskonservatorinnen und Landeskonservatoren über ihre Arbeit, die aktuelle Situation in ihren Bundesländern und die größten Herausforderungen. Für diese Ausgabe haben wir mit Alf Furkert, Landeskonservator in Sachsen, gesprochen. Er berichtet unter anderem über die Bedeutung der sächsischen Industriekultur, den Umgang mit dem Strukturwandel und klimagerechte Denkmalpflege.

Redaktion: Wie würden Sie Ihre Arbeit und deren Bedeutung einem Außenstehenden erklären?

Alf Furkert: Das ist nicht mit einem Satz getan. Als Sächsischer Landeskonservator leite ich das Landesamt für Denkmalpflege. Neben dem Landesamt für Archäologie ist es eine von zwei Fachbehörden für die Erfassung und die Pflege der Kulturdenkmale nach Sächsischem Denkmalschutzgesetz. Sachsen ist ein an Denkmalen reiches Land, etwa 101.000 Kulturdenkmale stehen auf unserer Liste. Sie prägen unsere Städte und Landschaften, sie sind Zeugnis unserer Geschichte, unserer kulturellen Wurzeln und reichen Traditionen und damit Teil unserer Identität.

Kernstück unserer Arbeit im Landesamt ist das Erkennen, Erfassen und Erforschen der Kulturdenkmale. Wir beraten vor Ort Eigentümer, Bauherren, Planer, Handwerker und andere Partner, um denkmal- und kostenverträgliche Lösungen zu finden. In enger Zusammenarbeit mit den unteren Denkmalschutzbehörden obliegt uns die fachliche Betreuung und Dokumentation von Maßnahmen an Kulturdenkmalen. Starre Handlungskonzepte gibt es in der Denkmalpflege nicht. Die Arbeit am Kulturdenkmal ist stets eine individuelle, auf die jeweilige Situation und die gegebenen Handlungsspielräume des Eigentümers und mit Augenmaß abzustimmende Aufgabe.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewahrung der Kulturdenkmale ist das Verständnis für Denkmalschutz und Denkmalpflege in der Bevölkerung. Hier leistet auch die denkmal einen wichtigen Beitrag, deren Arbeit das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen seit 1994 fachlich unterstützt.

Redaktion: Wie ist die aktuelle Situation der Denkmale in Sachsen und was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Alf Furkert: Seit 1990 ist schon viel geschehen, es wurden Altstadtkerne saniert, Schlösser, Burgen, öffentliche Gebäude und Kirchen. Aber es harrt auch noch ein Teil der Denkmale der Sanierung. Das kann verschiedene Ursachen haben wie Leerstand oder fehlende Nutzung, gerade im ländlichen Raum, der vom Strukturwandel nach der Wende und den massiven demografischen Veränderungen in der Gesellschaft geprägt ist. Adelssitze, Herrenhäuser oder Burgen können nicht einfach wiederbelebt, sondern müssen anders genutzt werden.

Ohne das wirtschaftliche Engagement und die Bindung der Eigentümer an den Ort ist die reiche Denkmallandschaft nicht zu erhalten. Der Freistaat Sachsen unterstützt sie bisher und hoffentlich auch weiterhin mit seinen Förderprogrammen überproportional. Die Förderung von Denkmalpflege durch die öffentliche Hand kann und sollte auch weiterhin das Engagement der Eigentümer unterstützen.

Redaktion: Was war bisher die größte Herausforderung, die Sie mit Blick auf die Denkmallandschaft beschäftigt hat, und auf welchen Projekten liegt derzeit Ihr Hauptaugenmerk?

Alf Furkert: Oft steht die Denkmalpflege auch in dem Ruf, Verhinderer zu sein, weil sie auf Bewahrung setzen muss. Aber wenn man stolz sein möchte auf seine alten Städte und eine historische Umgebung, dann muss man auch Ja sagen zum Denkmalschutz. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben.

Schwerpunkte sehe ich in der Erhaltung der technischen Denkmale wie leerstehende Fabrikbauten aus der Frühzeit der Industrialisierung oder noch aus der Manufakturzeit stammende, einst mit Wasserkraft betriebene Fabriken und Mühlen in Flusstälern. Aber auch Herrenhäuser mit den Rittergütern, die oft leer stehen, weil die Eigentümer nicht in der Lage sind, Haus und Park wirtschaftlich zu nutzen. Wenn dort nicht bald was passiert, droht ein Verlust wertvoller Substanz. Dass diese Gutshäuser viele Jahre in der Zeit der DDR überstanden haben, liegt daran, dass sie genutzt wurden – als Kindergarten, Gemeindeverwaltung oder LPG-Büro. Das war nicht immer optimal, aber Dach und Fenster wurden dichtgehalten, und es wurde geheizt. Umso schwerer fällt es zu verstehen, dass das heute nicht gelingen will in einer wirtschaftlich so prosperierenden Gesellschaft.

Eine weitere große Aufgabe ist der Strukturwandel in Sachsen im Zuge des Kohleausstiegs und der Energiewende. Mit ihm verbinden sich für mich Hoffnungen, dass gerade auch der Denkmalschutz und, in progressivem Sinne auch die Denkmalpflege, profitieren können. Wenn der Strukturwandel gelingen soll, beispielsweise in der Lausitz, gehört Infrastruktur dazu. Dazu zählen auch die Denkmale, in denen Menschen leben. Gerade die Lausitz ist sehr reich an Denkmalen, die wiederum die Landschaft prägen und Identität stiften. Die Herausforderung wird sein, neue Anforderungen mit der historischen Substanz zu verbinden.

Die Denkmalpflege setzt sich auch mit aktuellen Anforderungen auseinander wie mit dem Einsatz regenerativer Energie auch im Denkmalbestand. Denkmale bringen mit der in ihrer Substanz verkörperten so genannten grauen Energie einen Bonus mit. Dennoch ist es heute wichtig, auch Denkmaleigentümern eine klimagerechte Energieversorgung zu ermöglichen. Das geht nicht immer und ist im Einzelfall zu entscheiden, vor allem, wenn es um Solaranlagen geht. Hier sind innovative Lösungen gefragt wie die „Ernte“ der Sonnenenergie an einem anderen Ort, also nicht unbedingt auf dem Denkmaldach selbst.

Das Weiterbauen am Denkmal hat es immer gegeben. Aufgabe der Denkmalpflege ist es, zu entscheiden, was bewahrt werden muss und was verändert werden kann, ohne das Denkmal in seinen Grundfesten zu erschüttern. Ich glaube, dass man viele Denkmale durch angemessenes Weiterbauen nutzbar machen kann, auch bei den hohen Anforderungen an Brandschutz, Barrierefreiheit, Energieeffizienz etc. Da muss man manchmal ein bisschen Mut beweisen, auch seitens der Denkmalpflege Dinge zulassen und sich ihnen öffnen.

Auf der Fortschreibung der Denkmalliste durch das Erfassen von Denkmalen der Nachkriegsmoderne und der Nachwendebauten liegt ein weiteres Hauptaugenmerk. In den letzten Jahren setzte ein Umdenken ein. Die Akzeptanz der Ostmoderne, auch mancher Wohnquartiere, wird größer.

Redaktion: Wenn Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Alf Furkert: Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Akzeptanz der denkmalpflegerischen Belange und das Werben dafür zu verstärken. Denkmalpflege funktioniert nicht auf dem Anordnungsweg. Wie aufgeschlossen die Bürger sind, zeigt die große Zahl der ehrenamtlichen Denkmalpfleger, zeigt der Tag des offenen Denkmals, die größte kulturelle Veranstaltung in Deutschland. Die Resonanz ist auch in Sachsen ungebrochen.

Junge Menschen frühzeitig in die Erhaltung des kulturellen Erbes einzubinden und dafür zu begeistern, ist ein wichtiges Anliegen. denn die Kinder von heute sind die Denkmaleigentümer von morgen. Als Fachbehörde widmen wir uns auch der Nachwuchsförderung in den Berufen des Denkmalschutzes, durch eine enge Zusammenarbeit mit den etablierten Hochschulen, durch wissenschaftliche Volontariate und als Einsatzstelle für das freiwillige soziale Jahr in der Denkmalpflege in der Jugendbauhütte.

Kulturdenkmale sind als Zeugnisse unserer Geschichte ein idealer außerschulischer Lernort. Seit 1995 motiviert das Sächsische Landesprogramm „PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale“ Schülerinnen und Schüler aus ganz Sachsen, sich aktiv mit einem Denkmal auseinanderzusetzen. Auf der denkmal 2022 sind die Ergebnisse des Landesprogramms zu sehen, ich freue mich schon darauf.

Wolfgang Junius, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen
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