7. - 9. November 2024 denkmal

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14.05.2024 denkmal

denkmal trifft …: Die Leiterin des Hamburger Denkmalschutzamts, Dr. Anna Joss

In unserer Rubrik „Denkmalschutz in Deutschland" sprechen wir mit herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Denkmalschutzes. Diese Gespräche bieten Einblicke in die Arbeit, die gegenwärtige Situation in den verschiedenen Bundesländern und die bedeutendsten Herausforderungen. Wir freuen uns, Ihnen in dieser Ausgabe Dr. Anna Joss im Interview vorzustellen, die Leiterin des Hamburger Denkmalschutzamts. Die international erfahrene Denkmalpflegerin ist bekannt für ihre herausragende fachliche Kompetenz, ihr starkes Engagement für den Erhalt der Hamburger Denkmallandschaft und die Förderung der Baukultur in einer lebendigen Großstadt. Im Rahmen unserer Unterhaltung erörtert sie unter anderem die aktuellen Herausforderungen der Denkmalpflege in Hamburg und gewährt einen Einblick in ein besonderes Projekt zur Wissensvermittlung über die Denkmäler der Hansestadt.

Redaktion: Frau Dr. Joss, wie ist die gegenwärtige Situation der Denkmallandschaft in der Hansestadt? Welche aktuellen Themen beschäftigen Sie hier besonders?

Dr. Anna Joss: In Hamburg gibt es ca. 12.300 Denkmäler. Nebst Gebäuden, Parkanlagen usw. zählen dazu auch bewegliche Denkmäler wie Schiffe. Hamburgs Denkmallandschaft ist geprägt von einer Vielzahl historischer Gebäude, die die Geschichte der Stadt widerspiegeln: Von unserem Welterbe der Speicherstadt sowie den imposanten Kontorhäusern mit dem Chilehaus – ein Objekt der Union Investment – bis hin zu Bürogebäuden der 1960er- und 1970er-Jahre in der City Nord. Hinzu sind in den letzten Jahren auch Denkmäler der Postmoderne gekommen: Das Denkmalschutzamt Hamburg hat in einem umfassenden Projekt Objekte aus den Jahren von 1975 bis 1995 auf ihren Denkmalwert geprüft. Ziel des Projekts war es, authentisch überlieferte Bauten und Gärten in die Denkmalliste der Stadt aufzunehmen und den Bestand zu schützen.

Themen rund um Klimaschutz, Bauen im Bestand, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit sind in meiner Arbeit momentan zentral. Bereits mit der Pflege der Denkmäler wird natürlich ein großer Beitrag zum Klimaschutz geleistet, indem vorhandene Bausubstanz und somit bereits gebundene graue Energie nicht erneut in den Umlauf kommen – durch Abbruch, Entsorgung und dergleichen. Insofern ist Denkmalschutz auch praktischer Klimaschutz. Das Denkmalschutzamt nimmt aber auch immer wieder neue Wege in den Blick, wie ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei aktuell auf dem Einsatz von erneuerbaren Energien – Solaranlagen, Wärmepumpen und ähnlichem. Hierzu hat das Denkmalschutzamt übrigens im vergangenen Jahr eine Praxishilfe zum Umgang mit erneuerbaren Energien im Denkmalbestand herausgegeben, um Wege aufzuzeigen, wie eine Photovoltaik-Anlage auf einem Denkmal möglichst einfach und denkmalgerecht zu realisieren ist.

Redaktion: Angesichts der herausfordernden Wohnsituation in Großstädten wie Hamburg: Wie kann der Schutz und die Wiederbelebung von Denkmälern dazu beitragen, dieses Problem anzugehen?

Dr. Anna Joss: Wir haben es immer wieder mit Fragen der Umnutzung von Denkmälern zu Wohnraum zu tun. Im besten Fall ist es eine Win-win-Situation: einen Beitrag, um den angespannten Wohnungsmarkt etwas zu entlasten und zugleich die besondere Architektur und Geschichte von Gebäude zu erhalten und Ressourcen zu schonen. So war es etwa auf dem ehemaligen Krankenhausgelände in Hamburg-Ochsenzoll: Dort sind historische Klinikgebäude zu Wohnräumen umgenutzt worden. Ein tolles Projekt, da in dem Zuge ein ganzes Wohnquartier unter Einbeziehung des Denkmalbestandes neu entstanden ist, inklusive öffentlich geförderter Neubauwohnungen der Saga, dem städtischen Wohnungsunternehmen. So konnten insgesamt 800 neue Wohnungen entstehen.

Redaktion: Hamburg zieht regelmäßig Investoren und große Bauprojekte an, wobei jedoch nicht alle Vorhaben reibungslos verlaufen. Wie bewerten Sie das Zusammenspiel zwischen neuen Bauprojekten und dem Erhalt des historischen Stadtbildes?

Dr. Anna Joss: Zu einer Stadt wie Hamburg gehört die Dynamik und als Denkmalpflegerin in einer Großstadt sollte man schon gerne in diesem Spannungsfeld agieren. Interessant finde ich gerade den aktuellen Diskurs zur Ressourcenschonung, wo Stimmen laut werden, die prinzipiell einen schonenden Umgang mit dem, was schon da ist, fordern, egal, ob Denkmal oder kein Denkmal. Ich bin gespannt, was dies für die Baukultur Hamburgs künftig noch bringen wird.

Redaktion: Kürzlich wurden Sie für ein Podcast-Projekt vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz ausgezeichnet. Könnten Sie uns näher erläutern, worum es dabei geht und wie dieser Podcast dazu beiträgt, Wissen über Denkmäler zu vermitteln?

Dr. Anna Joss: Die Auszeichnung mit dem Medienpreis des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz vergangenen Sommer war ein großer Erfolg, über den ich mich persönlich sehr gefreut habe. Eine gute Vermittlungsarbeit ist essenziell, damit die Ortsansässigen einer Stadt überhaupt erfahren können, was Denkmalschutz und Denkmalpflege für sie ganz persönlich bringt. Den Podcast „Denkmal im Wandern“ gibt es bereits seit 2020. Er wurde vom Denkmalverein initiiert, der den Podcast auch produziert. Denkmalverein und Denkmalschutzamt nehmen die Zuhörenden in jeder Folge mit auf eine Wanderung durch die Besonderheiten der Hamburger Baugeschichte. Die Rundgänge beginnen an einem festen Startpunkt und dauern jeweils zwischen 30 und 60 kurzweilige Minuten. Man kann entweder den Weg „gemeinsam“ mit den Fachleuten beschreiten oder bequem vom Sofa aus zuhören. Nach dem Hören weiß man in jedem Fall ein bisschen mehr über Hamburgs Geschichte.

Redaktion: Werden wir Sie diesjährig auf der Jubiläumsausgabe der denkmal begrüßen können und wenn ja, worauf freuen Sie sich in diesem Jahr in Leipzig besonders?

Dr. Anna Joss: Besonders freue ich mich auf den Austausch mit den Messebesuchenden sowie Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern. Und ich werde mir auf jeden Fall auch ein wenig Zeit nehmen, um Leipzig zu erkunden und neue Denkmäler zu entdecken.

Bild: Hernandez für Behörde für Kultur und Medien
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