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Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke: „Der Nutzungsdruck auf Denkmäler nimmt zu“
In unserer neuen Rubrik „Denkmalschutz in Deutschland“ sprechen wir mit den deutschen Landeskonservatorinnen und Landeskonservatoren über ihre Arbeit, die aktuelle Situation in ihren Bundesländern und die größten Herausforderungen. Zum Start der Reihe haben wir uns mit Dr. Andrea Pufke, Landeskonservatorin des Rheinlands, unterhalten. Sie verriet uns unter anderem, warum Teamgeist in ihrer Arbeit besonders wichtig ist und vor welchen schwierigen Veränderungen Nordrhein-Westfalen steht.
Redaktion: Wie würden Sie die Arbeit einer Landeskonservatorin und die Bedeutung dieser Arbeit einem Außenstehenden erklären?
Dr. Andrea Pufke: Als Landeskonservatorin leite ich in erster Linie ein ganzes Amt und bin verantwortlich für zahlreiche Mitarbeitende. Die Funktion hat also viel mit Verwaltungs- und Führungstätigkeit zu tun, von der Haushaltsbewirtschaftung bis zur Koordination von Aufgaben. Da sind natürlich Fachkenntnisse, aber vor allem auch viel Kreativität, Empathie und Teamgeist gefragt. Wenn man kein Teamplayer ist, ist die Aufgabe aus meiner Sicht nicht wirklich gut zu meistern, weil es auch viel um Motivation und Konfliktmanagement – nach innen und außen – geht.
Inhaltlich ist es Aufgabe einer Landeskonservatorin, die gesetzlich definierte Aufgabe der Denkmalpflege umzusetzen. So muss ich beispielsweise dafür sorgen, dass bei der Inventarisation von Denkmälern die Kriterien zur Eintragung nach einheitlichen Standards angewandt werden oder die Grundsätze der Denkmalpflege wie Reparaturfähigkeit, Materialgerechtigkeit und Reversibilität in den Entscheidungen bei Maßnahmen angemessen berücksichtigt werden. Nach innen steuern wir Landeskonservator*innen die fachlichen Themen, nach außen vertreten wir die Denkmalpflegeämter in repräsentativen, öffentlichen, aber auch schwierigen Fällen. Beispielsweise, wenn es der Denkmalpflege nicht so gut gelungen ist, die Ziele und Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu vermitteln. Dann ist es vielfach meine Aufgabe, die denkmalpflegerischen Anliegen im konkreten Fall gegenüber den beteiligten Eigentümer*innen, den Behörden, der Architektenschaft oder der Presse zu erläutern.
Man ist sozusagen nach außen das Gesicht des Amtes und trägt die Verantwortung für das Agieren der amtlichen Denkmalpflege.
Redaktion: Wie ist die aktuelle Situation der Baudenkmäler im Rheinland und was hat sich in den letzten Jahren verändert?
Dr. Andrea Pufke: Im Rheinland und in Nordrhein-Westfalen stellen wir in den letzten Jahren einen deutlich höheren Nutzungsdruck auf Denkmäler oder denkmalwerte Strukturen wie historische Ortskerne oder Siedlungen fest. Dabei geht es um Themen wie Nachverdichtung oder Nutzungserweiterungen, bzw. auch um die bekannten Herausforderungen wie Barrierefreiheit, Brandschutz und Klimaschutz/energetische Ertüchtigung. Hartnäckig halten sich dabei auch die bekannten Vorurteile, Denkmalpflege sei ein Investitionshemmnis oder erschwere die Umnutzung von Denkmälern. Ich nehme solche Vorurteile verstärkt aus dem politischen Raum wahr, weil insgesamt die Akzeptanz für den öffentlichen Belang Denkmalpflege schwieriger geworden ist. Außerdem nehmen wir wahr, dass es in der öffentlichen Diskussion vermehrt darum geht, Denkmäler rein bildhaft zu erhalten, also das Verständnis für die substantielle Erhaltung von Denkmälern schwindet.
In NRW haben wir im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung in den letzten beiden Jahren in Anhörungen und Stellungnahmen immer wieder deutlich machen können, dass gerade die amtliche Denkmalpflege aus ihrem reichen Erfahrungsschatz heraus Hinweise für mögliche neue Nutzungen oder Modernisierungen liefern konnte, die in sachgerecht geführten Dialogen beiden Belangen gerecht werden: modernen Nutzungsanforderungen und der zukunftsweisenden Erhaltung des Denkmals. Leider wird die Chance nach wie vor nicht genutzt, Denkmalpflege als wesentlichen Nachhaltigkeitsfaktor in NRW zu etablieren. Immerhin ist die Denkmalförderung in NRW wieder auf ein angemessenes Niveau angehoben worden, um die Erhaltung von Denkmälern im öffentlichen Interesse finanziell zu unterstützen.
Im Bereich der Inventarisation haben wir es seit Jahren mit vielfältigen offenen Eintragungsverfahren zu tun. Da in NRW Denkmäler im konstitutiven System, also mit förmlichem Verwaltungsakt, unter Schutz gestellt werden, liegen zahlreiche Anträge der Denkmalpflegeämter auch aus früheren Jahren in den Kommunen und warten auf Vollzug. Schwierig ist aufgrund der personellen Kapazitäten natürlich auch eine vorausschauende flächendeckende Inventarisation besonders der Nachkriegsmoderne. Und schließlich werden im Zusammenhang mit der Inventarisation immer wieder Fragen nach Kategorisierung oder einem exemplarischen Schutz von Denkmälern aufgeworfen. Diese Themen stehen in engem Zusammenhang mit einer Skepsis der Politik in Kommunen und Land neuen Denkmälern gegenüber.
Redaktion: Sie sind seit fast zehn Jahren Landeskonservatorin. Was war in dieser Zeit die größte Herausforderung, die Sie beschäftigt hat, und auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?
Dr. Andrea Pufke: Die größte Herausforderung ist es immer wieder, für gleichbleibende gute Bedingungen für Denkmalschutz und Denkmalpflege zu sorgen. Angesichts des aktuell laufenden Verfahrens zur Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW merken wir das wieder ganz besonders. Hier ist zu befürchten, dass mit dem geplanten neuen Gesetz die Fachlichkeit bei allen Entscheidungen im Denkmalschutz zugunsten sachfremder Belange wie Wirtschaftlichkeit oder Klimaschutz oder eines vermeintlich effektiveren Verwaltungshandelns geopfert wird. Die Fachämter für Baudenkmalpflege sollen deutlich in ihrer fachlichen Mitwirkung bei den Entscheidungen heruntergestuft werden, nämlich auf die schwächste Beteiligungsform einer Anhörung. Ihnen wird zudem das Antragsrecht für Unterschutzstellungen entzogen. Damit haben wir nicht mehr ausreichend Gelegenheit, als Fürsprecher für die Denkmäler einzutreten und für die beste Lösung für ein Denkmal zu sorgen. Die auch nach der Landesverfassung den Denkmalfachämtern bei den Landschaftsverbänden zustehenden Rechte, am Schutz der Denkmäler wesentlich mitzuwirken, werden erheblich beschnitten. Das ist eine sehr große Gefahr für die Denkmäler in NRW. Ich hoffe, dass es uns gelingt, zusammen mit vielen externen Partnerverbänden an unserer Seite den Entwurf noch einmal zu überarbeiten, um auch weiterhin einen angemessenen Schutz für die Denkmäler in NRW zu gewährleisten.
Erfolge gibt es natürlich ebenso zu vermelden. Ich freue mich immer wieder, wenn es gelingt, ein Denkmal trotz schwieriger Umstände zu erhalten: sei es, weil uns eine auskömmliche Finanzierung für eine Erhaltungsmaßnahme gelungen ist, weil wir Eigentümer*innen oder Ehrenamtlichen, die sich um ein Denkmal kümmern, mit unserer Beratung geholfen haben, was sich in einem guten Ergebnis ablesen lässt, oder weil es gelungen ist, eine Gefährdung für ein Denkmal abzuwenden. Stolz machen mich all diese Ergebnisse, die in der Regel die Kolleg*innen in unserem Amt erzielt haben. Da spiele ich als Landeskonservatorin gar keine so große Rolle.
Redaktion: Wenn Sie mit Blick auf Ihre Tätigkeit als Landeskonservatorin einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Dr. Andrea Pufke: Das mit den Wünschen ist immer so schwierig, da hat man schon Sorge, dass man den einen freien Wunsch falsch formuliert. Ich wünsche mir aber in der Tat seit langem, dass es uns in der Gesellschaft (wieder) gelingt, angemessen über den Wert unserer gebauten Umwelt, die insbesondere von Denkmälern repräsentiert wird, zu reflektieren und zu diskutieren. In einer immer schnelllebigeren und digitalisierten Welt geht der Blick für den Wert und die Erhaltungsnotwendigkeit von Denkmälern als konstante Faktoren unserer Heimat und unserer Geschichte verloren zugunsten kurzfristiger und rein wirtschaftlicher Entwicklungsszenarien. Die Corona-Pandemie oder die Klimakrise lehren uns ja gerade eines, nämlich dass unser Leben wesentlich von nachhaltigen Strategien abhängig ist. Dafür stehen Denkmäler in ganz besonderem Maße.
Foto: Vanessa Lange, LVR-ADR